Welchen Wert hat Ihr Quilt?
Wer gelegentlich mit Quilterinnen aus dem englischsprachigen Sprachraum zu tun hat, der ist bestimmt auch schon mal über den Fachterminus „Quilt Appraisal“ gestolpert – vermutlich ohne zunächst zu wissen, was das denn wohl ist.
Ganz ohne Schnörkel ins Deutsche übertragen wird mit dem Begriff „Quilt Appraisal“ der Vorgang zur Feststellung des Wertes eines Quilts im weitesten Sinne bezeichnet. Dabei kann der Quilt eine Decke oder ein Kleidungsstück sein, eine Tagesdecke oder ein Wandbehang, eine Patchwork-Arbeit oder ein Wholecloth-Quilt, neu oder antik, traditionell, zeitgenössisch oder modern – kurz: jede Arbeit, die aus einem Top, einer Vlieseinlage und einer Rückseite besteht und die demnach als „Quilt“ bezeichnet werden darf, kann Gegenstand eines „Quilt Appraisals“ sein.
Während die Möglichkeit der Wertfeststellung für Quilts hierzulande entweder immer noch völlig unbekannt ist oder diese Begutachtung mangels entsprechender Experten nicht durchgeführt werden kann, gibt es in den USA den Berufsstand des „Quilt Appraiser“. Bevor diese GutachterInnen den Titel „Quilt Appraiser“ tragen dürfen, durchlaufen sie eine mehrjährige, intensive Ausbildung, die von den verschiedenen Berufsverbänden – z.B. American Quilters Society (AQS) oder National Quilting Association (NQA) – durchgeführt wird. Nach erfolgreich abgelegter Prüfung dürfen sich die Absolventen dann „certified appraiser“ (zertifizierter Gutachter) nennen.
Zum Einsatz kommen diese zertifizierten Gutachter hauptsächlich in den drei Bereichen Textil-/Quiltmuseum, Quilt Show, individuelle Beratung.
- Viele Appraiser, die sich auf die Wertfeststellung antiker („antique“ oder „vintage“) Quilts spezialisiert haben, arbeiten fest mir Quiltmuseen bzw. mit Textilmuseen zusammen, die einen Schwerpunkt im Bereich „Quilts“ haben.
- Auf fast allen großen Quilt-Veranstaltungen in den USA ist es heutzutage üblich, dass ein Appraiser anwesend ist, um in der Ausstellung hängende oder von Besuchern oder Aussteller mitgebrachte Quilts vor Ort und im Auftrag zu begutachten.
- Viele Gutachter bieten auch die individuelle Quilt-Begutachtung für Privatpersonen an oder besuchen auf Einladung Quiltgruppen, um die Arbeiten der Mitglieder zu bewerten.
Wiederbeschaffung oder Verkauf?
Es gibt drei Sorten von Gutachten – das Marktgutachten, das Wertgutachten zu Versicherungszwecken und das Stiftungsgutachten.
- Marktgutachten – Dieses Gutachten legt einen Marktwert fest. Darunter versteht man den Mittelwert zwischen dem, was ein fachkundiger Kaufinteressent bereit ist zu zahlen, und dem, was der fachkundige Verkäufer für einen bestimmten Quilt verlangt. Zertifizierte Gutachter sind mit der aktuellen Marktsituation sowohl für antike als auch für zeitgenössische Arbeiten (Auktionen, Galerien und Privatverkäufe eingeschlossen) bestmöglich vertraut. Das Marktgutachten stellt eine Meinung dar, nicht aber eine Garantie.
- Versicherungsgutachten – Dieses Gutachten legt den Wiederbeschaffungswert eines Quilts oder Kleidungsstücks fest. Das heißt, es bestimmt, was es kosten würde, einen verloren gegangenen oder beschädigten Quilt durch einen entsprechenden, neuen zu ersetzen. Ein schriftliches Gutachten eines zertifizierten Gutachters dient Versicherungen als Grundlage, wenn der Wiederbeschaffungswert für einen verloren gegangene Quilt festgelegt werden muss.
Ob und inwiefern Versicherungen außerhalb der USA im Schadensfall von dortigen Experten ausgefertigte Gutachten akzeptieren oder berücksichtigen, ist gegenwärtig nicht bekannt. - Stiftungsgutachten – Dieses Gutachten ist für Kunden gedacht, die eine Arbeit aus beliebigem Grund einer beliebigen Organisation oder einem beliebigen Ort stiften möchten oder durch diese Stiftung den Wert eines Anwesens oder das Vermögen einer Familie – oft posthum – steigern möchten.
Allen Gutachten ist gemeinsam, dass sie vom jeweiligen Besitzer des zu begutachtenden Quilts in Auftrag gegeben werden. Da die aktuelle Marktsituation bei der Ermittlung des Wertes eine Rolle spielt, wird empfohlen, spätestens alle drei Jahre erneut ein Gutachten anfertigen zu lassen.
Wie läuft die Begutachtung ab?
Neben dem Quilt an sich, den der Appraiser persönlich sehen und untersuchen können muss, werden bereits im Vorfeld umfangreiche Informationen zum Quilt benötigt. Zur Erhebung dieser Angaben erhält der Auftraggeber einen meist zweiseitigen Fragebogen, in dem die unterschiedlichsten Dinge abgefragt werden. Neben den Kontaktdaten des Auftraggebers stehen Fragen zu Größe, Alter und Titel des Quilts, zu den verwendeten Materialien und ihrem Wert, zu den zum Einsatz gekommenen Techniken usw. ganz oben auf der Liste. Weiterhin wird eine Beschreibung des Quilt angefordert, ebenso wie Angaben zur Inspiration, ob es sich um einen eigenen Entwurf, eine Adaptation, ein Kursergebnis oder um die Nacharbeitung einer Anleitung handelt. Darüber hinaus sind Angaben zum Urheber des Quilts gefragt – Werdegang, Erfolge mit der vorliegenden und/oder anderen Arbeiten, gewonnene Preise, Publikationen, Ausstellungsbeteiligungen usw.
Sie sehen, mit Hilfe dieser Fragebögen wird versucht, ein möglichst aussagekräftiges Profil des zu begutachtenden Quilts zu erstellen.
Die Angaben aus dem Fragebogen erscheinen dann später in kondensierter, leicht abgewandelter Form und ergänzt durch weitere Angaben im schriftlichen Wertgutachten. Bei den ergänzenden Angaben handelt es sich um die Aspekte, die der Appraiser bei der unmittelbaren, rund 30 Minuten dauernden Beschau des Quilts feststellt – die visuelle Wirkung, die Verarbeitung, eine technische Beschreibung, dominierende Farben, Art der Einfassung und des Aufhängetunnels, Position des Etiketts etc.
Aufgrund all dieser erhobenen Informationen ermittelt der Appraiser in Verbindung mit seinem Hintergrundwissen schließlich einen Wert für den Quilt und erstellt ein entsprechende mehrseitiges Gutachtendokument. Mit Siegel und Stempel versehen ist dieses Gutachten mehr, als nur ein Stück bedrucktes Papier und sollte dazu beitragen, dass eine gequiltete Arbeit entsprechend wertgeschätzt wird.[:]